Die alte Kulturlandschaft

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Kurztext Die alte Kulturlandschaft
GPS-Koordinaten:
51° 49′ 49.494″ N
9° 56′ 21.458″ E

Die alte Kulturlandschaft

Am Hang ist der anstehende Fels des Mittleren Buntsandsteins sichtbar.

Der Straßenname „Am Roten Stein“ in Volksen weist auf die ehemaligen Steinbrüche am Klusberg und im Dehnegrund hin. Hier, am Standort, am oberen Ende des Hangs, macht ein kleiner Fels das unterliegende Gestein sichtbar. Die abgebauten Sandsteine aus dem Mittleren Buntsandstein mit ihrer typischen roten Farbe sind heute noch in den umliegenden Ortschaften zu sehen. Der feste Sandstein fand beispielsweise Verwendung als Naturwerkstein für Gebäudesockel und Mauern.

Der Talboden der Leineaue besteht aus dem sogenannten Auelehm. Dieser entsteht durch Erosion der lössreichen Braunerden auf den umliegenden Hängen und ist zwar fruchtbar, jedoch auch sehr dicht und reich an Ton. Problematisch war und ist dabei die geringe Sicker- und Speicherkapazität des Bodens. Diese behindert einen ausgeglichen Wasserhaushalt und verstärkt die Auswirkung von Hochwasserereignissen. Hochwasserwellen, entstehend aus den Abflüssen des Harzes, waren daher schon frühzeitig ein Risikofaktor für das Leben und Wirtschaften in der Aue.

Der Ort Volksen entstand auf der Erhebung eines kleinen Schwemmfächers, der durch seine etwas erhöhte Lage den Höfen zu Anfang Schutz vor Hochwassern bot. Jedoch nahm dieser Schutz über die Jahrhunderte ab, da das Niveau des Auelehms kontinuierlich anwuchs. Dies bietet vielleicht einen Eindruck vom Ausmaß der Bodenerosion auf den Hängen; die Auelehm-Schicht erreicht im Leinetal mittlerweile eine Mächtigkeit von 3-4 m.
Auch wegen der häufigen Hochwasser wurde die feuchte Niederung des Leinetals früher überwiegend als Grünland genutzt, heute noch ersichtlich in der Häufigkeit der Flurnamen „Marsch“ bzw. „Masch“. Erst seit ca. 1975 und nach dem Bau des Hochwasser-Rückhaltebeckens bei Salzderhelden wurde Grünlandwirtschaft durch Ackerbau abgelöst. Doch auch heute ist der Ackerbau in der Leineaue risikoreich, da großflächige Überschwemmungen keine Seltenheit sind.
An den Hängen des Sandbergs zwischen Volksen und dem Leineturm finden sich Reste alter Terrassenäcker. Sie sind als parallel zu den Höhenlinien verlaufende Stufen im Hang erkennbar und sind Relikte des mittelalterlichen bis neuzeitlichen Ackerbaus. Durch das zunehmende Bevölkerungswachstum wurde es notwendig, die Landwirtschaft auch auf weniger geeignete Flächen, wie steile Hänge, auszudehnen. Die Ackerterrassen entstanden durch einen Abtrag des Bodens auf der Hangseite und dessen Auftrag auf der Talseite. Dies geschah entweder von Hand oder durch hangparalleles Pflügen. Die Stufenraine, die steilen Hänge zwischen den relativ ebenen Terrassen, wurden mit Lesesteinwällen und Bewuchs befestigt. Somit wurde der Ackerboden vor Erosion durch abfließendes Regenwasser geschützt. Gleichzeitig wurden die Stufenraine auch als Weideland oder, als „Wald des kleinen Mannes“, zur Holzgewinnung genutzt. Später wurden auf den Rainen vermehrt Obst- und Nussbäume gepflanzt.

Die Stufenraine sind heute oft die letzten Zeugen der ehemaligen Terrassenäcker. Viele wurden aufgegeben, als die Bewirtschaftung sich nicht mehr lohnte, da sie auf Grund der schmalen Ackerflächen aufwändig und mit modernen Maschinen kaum möglich ist. Häufig wurden die Terrassen im Zuge der Flurbereinigung eingeebnet, um größere, maschinell bearbeitbare Flächen zu schaffen. Dabei wurden die Stufenraine meist untergepflügt. Erhaltene Terrassenäcker werden heute oft als Weideland genutzt oder liegen brach. Sie sind nicht nur als kulturhistorisches Denkmal wertvoll; auch die Stufenraine, ob Gräser- und Staudensaum, Wallhecke oder Baumreihe, erhöhen die Strukturvielfalt und damit den ökologischen Wert der Landschaft und tragen als längsgestreckte Linienbiotope zur Vernetzung von Lebensräumen bei. Außerdem können alte Kulturmethoden eine Inspirationsquelle sein, um aktuellen Herausforderungen zu begegnen. Da der Schutz der Böden vor Erosion durch die Folgen des Klimawandels eine zunehmend größere Rolle spielt, kehren Terrassenäcker in die Landschaft zurück. Werden sie von naturnahen Stufenrainen begleitet, ist dies ein doppelter Gewinn für die Biodiversität.

Das dichte Buschwerk, das sich auf diesem Stufenrain findet, besteht nicht aus Sträuchern, sondern ist aus Zwetschgenbäumen entstanden. Zwetschgenbäume bilden sehr stark Wurzelausläufer und Stockausschläge aus, sogenannte Wildlinge. Damit sind sie ein Risikofaktor für die Verbuschung von Streuobstwiesen, die zu einer Abnahme der Artenvielfalt auf diesen Wiesen führt. Streuobstwiesen mit Zwetschgenbäumen benötigen daher besonders viel Pflege, um die wichtigen Freiflächen zwischen den Bäumen zu erhalten. Als Reihe gepflanzt, schaffen Zwetschgenbäume durch den buschigen Wuchs ihrer Wildlinge jedoch im Laufe der Zeit den ebenfalls wertvollen Lebensraum Hecke. Somit bieten sie in der sonst oft leeren Agrarlandschaft Unterschlupf für die Tiere der Feldflur, Brutgelegenheiten für Vögel und mit ihrer reichen Blüte eine Nahrungsquelle für Insekten.

Überwachsen sind die Zwetschgenbäume mit einer Schleiergesellschaft aus Gewöhnlicher Waldrebe (Clematis vitalba). Schleiergesellschaften sind Kletterpflanzen, die sich wie der namensgebende Schleier über hochwüchsige Pflanzen legen. Leider wirkt die Waldrebe dabei nicht so sanft wie ein Schleier; durch ihr Gewicht und den Lichtentzug können die bewachsenen Pflanzen unter ihr ersticken. In Neuseeland, wo die Waldrebe keine natürlichen Fressfeinde hat, ist sie daher eine Bedrohung der heimischen Flora und wird als invasive Art bekämpft. In Europa hat sie jedoch auch eine positive ökologische Bedeutung: Ihre Blüten locken Fliegen, Mücken, Käfer und Honigbienen und, in einem geringeren Maße, Wildbienen an. Außerdem ist die Waldrebe die ausschließliche Nahrungspflanze für die Raupen einiger Nachtfalter, nämlich des Waldreben-Grünspanners (Hemistola chrysoprasaria), des Waldreben-Blütenspanners (Eupithecia haworthiata) und des Zweifarbigen Waldrebenspanners (Horisme vitalbata).

Teufelszwirn, Hexenstrang und Bindweide: In den Trivialnamen der Waldrebe spiegelt sich ihre Nutzung wider. Aus ihren Fasern wurden Seile hergestellt, die Reben wurden aber auch direkt zum Binden von Garben und zum Flechten von Körben verwendet. Der Name Bettlerskraut verweist auf eine besondere Verwendung. Der giftige Saft der Waldrebe führt bei Hautkontakt zur Blasenbildung. Diesen Umstand nutzten Bettler im Mittelalter, um mit einem entstellten Aussehen mehr Mitleid zu erregen.

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